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Die Sexualitäts-Sackgasse

Warum verfangen sich Paare bei abnehmender Lust so häufig in Ohnmachts-Gefühlen?

Zum einen gibt es eine weit verbreitete Unfähigkeit, über erotische und sexuelle Bedürfnisse zu sprechen. Diese verschärft die Gefühle von Unzufriedenheit, Frustration und Selbstzweifel, wenn das gegenseitige Begehren im Laufe der Jahre einschläft. Bei den meisten Paaren entwickelt sich ein erotischer Standardablauf, der oft die kleinste Schnittmenge der jeweiligen Vorlieben und Bedürfnisse darstellt. Aus dem „Do it“, das sich in den ersten Monaten aus Neugier und Offenheit speist, wird durch Konflikte und Alltagsstress mit der Zeit immer mehr ein „Don’t do it“. In der Folge wird der Sex zunehmend langweilig und damit auch immer weniger befriedigend für beide.

Zum anderen existieren starke Ängste, die Unzufriedenheit zu thematisieren. Da ist zunächst die Furcht nicht die richtigen Worte zu finden und damit den Partner zu verletzen. Noch viel größer ist aber oft die Angst, keine Lösung zu finden und sich dann der Frage gegenüber zu sehen, was daraus folgt. Vielleicht endeten frühere Versuche, sich anzunähern, in Sprachlosigkeit oder zermürbenden Streitgesprächen. Dann verfestigt sich das Gefühl, mit den eigenen Bemühungen gescheitert zu sein. Die jeweiligen Bedürfnisse scheinen zu unterschiedlich.

Bei einigen Paaren kommt eine langjährige Entwicklung der Entfremdung hinzu. Nach Jahren aufreibender Alltagskonflikte hat man sich auf mehreren Ebenen auseinander gelebt. Werte und Interessen haben sich verschoben. Die Schnittmenge des gemeinsamen Erlebens und Freude-Teilens ist immer weiter geschrumpft. In manchen Anschauungen und Einstellungen sind sich beide fremd geworden. Persönliche Entwicklungen haben häufiger voneinander weg als aufeinander zu geführt.

Wenn sich ein Paar seelisch und gedanklich voneinander entfernt, schwindet auch die körperliche Anziehung. Die noch verbliebenen Berührungen - wie die flüchtige Umarmung zum Abschied oder der Gute-Nacht-Kuss - bekommen den Charakter eines Rituals, das sich steril anfühlt. Dies wird als besonders schmerzhaft empfunden, wenn man sich hin und wieder danach sehnt, nochmal etwas vom alten Prickeln zu spüren, wieder zu begehren und begehrt zu werden.

Auch wenn es den Partnern gelingen sollte, über ihre jeweilige Unzufriedenheit einigermaßen vorwurfsfrei zu sprechen, scheitern in der Regel die eigenen Versuche, sich wieder körperlich näher zu kommen. Dann wächst die Bereitschaft, externe Hilfe in Form einer Paar- oder Sexualtherapie in Anspruch zu nehmen.

Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.

(Antoine de Saint-Exupéry)