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Monogam oder polygam?


Die Idee der Monogamie und die damit verbundene Sexualmoral der Treue ist voraussichtlich etwa 10-15 Tausend Jahre alt. Die sich entwickelnden Agrargesellschaften haben - gemeinsam mit einem religiös unterfütterten Moralkodex - Untreue und außerehelichen Sex mal mehr, mal weniger drastisch bestraft. Verhindert hat dies das Fremdgehen nicht. Auch heute zählt Treue, im Sinne sexueller Exklusivität, zur unausgesprochenen Basis der partnerschaftlichen Beziehung. Affären und Seitensprünge sind trotzdem eher die Regel als die Ausnahme. In einer Studie des Anthropologen Georg Peter Murdoch wurden knapp 250 menschliche Gemeinschaften auf ihre gesellschaftlichen Sexualnormen untersucht. Monogam lebten davon 43, also weniger als 20%.

Genauso wie die allermeisten Tierarten (insb. unsere nächsten Verwandten, die Menschaffen) ist also auch die menschliche Spezies eher polygam veranlagt. Die Psychologen David Barash und Judith Lipton schreiben in Ihrem Buch „Der Mythos der Monogamie – Treue und Untreue bei Tieren und Menschen“: „Ganz sicher aber gibt es keine Belege, weder aus der Biologie, der Primatologie oder der Anthropologie, dass Monogamie in irgendeiner Weise natürlich oder normal für Menschen ist. Im Gegenteil gibt es viele Belege, dass Menschen lange Zeit mehrere verschiedene Sexpartner hatten.“

Im heutigen Modell der Liebesehe wird es jedoch als selbstverständlich betrachtet, dass die Bedürfnisse nach Zuneigung, Geborgenheit und Sexualität ausschließlich von einem Partner befriedigt werden. Unsere evolutionär polygame Natur trifft also auf eine monogame Kultur, die einen tiefgreifenden Konflikt zwischen Trieb und Moral erzeugt, oft auch ein Spannungsfeld zwischen Ängsten, Misstrauen, Kontrollen und versteckten Vorwürfen. Wir wissen um die Herausforderung der Treue, möchten das monogame Modell jedoch retten und verschweigen, dass das sexuelle Begehren nicht nur dem Partner gilt. Hin und wieder sogar weniger als einem Dritten.

Da der zugrundeliegende Konflikt nicht lösbar scheint, werden Bedürfnisse negiert oder anderweitig kompensiert. Damit riskieren wir - für eine vermeintliche Harmonie -, den lebendigen Austausch über das zu opfern, was uns am meisten bewegt: Gefühle, Bedürfnisse, Sehsüchte. Im Ergebnis landen wir bei der seriellen Monogamie: Treue für eine gewisse Zeit, dann Partnerwechsel.

Manchmal denkt man, es sei stark festzuhalten. Doch wahre Stärke zeigt man oft erst im Loslassen!